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Angsthase oder mehr Angst als Hase?

Genau wie Freude, Trauer, Wut, Ekel und Überraschung gehört die Angst zu unseren ursprünglichsten Gefühlen. Wir alle haben schon einmal Angst empfunden und werden bestimmt in der Zukunft noch die ein oder andere Situation erleben, in der wir dieses beklemmende Gefühl verspüren werden.

 

Ob nachts im Dunkeln durch den tiefschwarzen Wald zu gehen, der Clown, der einen hinterrücks und unerwartet einen Schrecken einjagt, oder Zukunftsängste, die durch einen Jobverlust und der fehlenden beruflichen Perspektive entstehen - Angst ist vollkommen „normal“. Und auch wenn wir uns aufgrund unserer vorangegangenen Lernerfahrungen in unserer Ängstlichkeit voneinander unterscheiden, steckt in uns allen ein kleiner oder etwas größerer Angsthase.

 

Doch ab wann steht die Angst so sehr im Vordergrund,

dass in einem mehr Angst als Hase steckt?

Ratschläge gegen Angst

Betrachten wir die Angst unter der evolutionären Perspektive, sehe ich direkt das Bild eines Steinzeitmenschen vor mir, der in der Nähe einen großen Säbelzahntiger bemerkt. Der Steinzeitmensch sieht den Säbelzahntiger und registriert augenblicklich die Gefahr, die von diesem ausgeht. Die Schnelligkeit, Größe und Muskulatur, die breiten Tatzen, und nicht zu vergessen die beträchtlich langen Säbelzähne, die aus dem großen Kiefer herausragen – all diese Merkmale und das Wissen darum, dass diese Großkatze ein Fleischfresser ist, lässt den Steinzeitmenschen schnell zu dem richtigen Schluss kommen, dass er sich in unmittelbarer Gefahr befindet, und sich umgehend in Sicherheit begeben muss. 

 

Angst hat also vorrangig eine überaus klare Funktion:

Sie zeigt uns Gefahren auf und

sichert dadurch unser Überleben.

 

 

Die Bewertung des Steinzeitmenschen der Situation als „Gefahr“ ist die Voraussetzung für das daraus entstehende Gefühl und seine Flucht. Doch es gibt neben der Flucht noch zwei weitere Verhaltensweisen, auf die wir Menschen zurückgreifen, wenn wir einer Gefahr gegenüberstehen. Einerseits kann an dieser Stelle der Kampf-Instinkt als Bewältigungsstrategie aktiviert oder andererseits der Tot-Stell-Reflex ausgelöst werden.

 

Flucht, Kampf oder Starre sind also drei Verhaltensweisen, mit denen wir auf das Gefühl der Angst reagieren. Dabei spielt die Interpretation der Situation die entscheidende Rolle darüber, in welcher Ausprägung wir diese Reaktion zeigen.

 

Es gibt Abstufungen der überlebenswichtigen Verhaltensweisen auf das Gefühl der Angst. So flüchten wir nicht unbedingt bis ans Ende der Welt, um uns vor einer Spinne in „Sicherheit“ zu begeben, sondern treten vielleicht einfach in paar Schritte weg von ihr. Oder wir greifen auf die Option des Kampfes zurück. Das bedeutet jetzt kein Ringkampf mit der kleinen Spinne, sondern vielleicht das Hinaustragen aus dem entsprechenden Raum. Und wir schmeißen uns nicht gleich auf den Boden und stellen uns tot, wenn wir eine Spinne bemerken, sondern erstarren eventuell ganz kurz beim Anblick, um gleich darauf wieder handlungsfähig zu sein.

 

 Doch ab welcher Angststufe sollte ich mir Hilfe suchen,

und bis wann bin ich einfach „nur“ ein kleiner „Angsthase“? 

Als „normale“ Angst werden all die Reaktionen gewertet, die auch für andere angemessen und nachvollziehbar erscheinen. Aus dem Vergleich untereinander entstehen gesellschaftliche Richtwerte, die sich also genauer betrachtet aus unfassbar vielen verschiedenen einzelnen Bewertungen einer Situation ergeben haben. Das sind Tausende über Tausende von Erfahrungswerten, die zusammen in einen Topf geworfen werden, und anhand derer jeder einzelne von uns seine eigenen Erfahrungen mit denen aus der Menge vergleichen kann. Weichen die eigenen Bewertungen stark von dem Mittelwert der Gesellschaft ab, dann gilt die Angst als außergewöhnlich gering oder stark.


Doch es gibt so viele weitere Merkmale, die eine ungewöhnlich große Angst kennzeichnen:

  •  Besteht deine Angst bereits seit vielen Monaten?
  • Leidest du unter deiner Angst, die du in bestimmten Situationen empfindest?
  • Beeinträchtigt sie dich in deinem Alltag? Schränkt sie dich ein?
  • Reagiert dein Körper stark auf angstauslösende Situationen?
  • Grübelst du viel? Fragst du dich, woher sie kommt und warum sie solch eine Macht über dich hat?
  • Vermeidest du durch deine Angst bestimmte Situationen?

 

Oder hast du bereits gewisse Strategien entwickelt, wie du besser und leichter mit deiner Angst in den Situationen zurecht kommen kannst?


Wenn du viele dieser Fragen mit einem klaren JA beantwortet hast, hat deine Angst bereits einen großen Anteil in deinem Leben eingenommen und dich dadurch wahrscheinlich etwas verändert. Vielleicht kam dir bereits das ein oder andere Mal der Gedanke, dass du dich gar nicht mehr wiedererkennst. Wenn das auf dich zutreffen sollte, möchte ich dich unbedingt dazu ermutigen, dir professionelle Unterstützung zu suchen. Keiner von uns muss unter solch einer Belastung leiden. Keiner von uns muss das Gefühl haben, dass die Angst die Kontrolle über einen selbst übernommen hat. Keiner von uns muss der Angst hilflos ausgeliefert sein.

Wie dir geht es vielen Menschen auf dieser Welt und es gibt noch mehr Menschen, die gegen ihre Angst angekämpft und sie besiegt haben. Und wenn das viele andere Menschen geschafft haben, kannst du das auch! Du bist stark und kannst dir die Kontrolle über dein Leben zurückerobern – in deinem Tempo und mit der passenden Unterstützung an deiner Seite.

 

Wenn du dich nun fragst, an wen du dich wenden kannst, habe ich dir nachfolgend die Ansprechpartner aufgelistet, die dir weiterhelfen können: HausärztInnen, PsychotherapeutInnen, PsychiaterInnen.

Und weil es vielen schwer fällt, diese Unterstützung anzunehmen und / oder bereits seit langer Zeit auf endlos langen Wartelisten stehen, möchte ich dir nun (als Klinische Psychologin) noch gerne 6 Ratschläge mit auf deinen Weg geben, die du direkt umsetzen kannst, um deine Angst zu bewältigen:

Ratschläge zur Angst Bewältigung

 

Die wichtigste und vor allem effektivste Methode, um deine Angst langfristig zu bezwingen, ist die direkte Konfrontation mit dieser. Es gilt, mutig zu sein und die Angst als ganz persönliche Herausforderung zu sehen. Denn was passiert, bevor du die Angst empfindest? Du bewertest eine Situation als gefährlich. Angst entsteht also in deinem Kopf – durch deine bewertenden Gedanken. Nun ist es entscheidend, dass du dich genau dieser angstauslösenden Situation stellst und die Erfahrung machst, dass keine Gefahr von ihr ausgeht. Und in der Summe dieser neuen Lernerfahrungen findet eine Neubewertung der Situation als ungefährlich statt. Nicht von jetzt auf gleich, aber mit jeder Konfrontation wird sich deine Angst verringern und langfristig für Erleichterung in deinem Leben sorgen.

 

Die Angst entsteht durch deine bewertenden Gedanken. Darum ist eine weitere Methode dein sorgenvolles Grübeln zu unterbrechen. Versuche bei deinem Ursprungsgedanken zu bleiben und nicht von einem zum nächsten und wieder zum nächsten Gedanken zu springen. Bleibe bei deinem allerersten sorgenvollen Gedanken und denke diesen zu Ende. Wird wirklich die Katastrophe eintreten, vor der du dich so sehr fürchtest? Lenke deine Gedanken ganz bewusst weg von den Ängsten und hin zu den positiven Dingen um dich herum. Konzentriere Dich auf deine Sinne. Was nimmst du um dich herum wahr? Was siehst du? Welcher Geräusche nimmst du wahr? Was riechst du? Welcher Geschmack liegt dir auf der Zunge? Und wie fühlst sich beispielsweise die Oberfläche an, auf der du stehst, sitzt oder liegst?

 

Lassen dir deine Gedanken weiterhin keine Ruhe, besteht auch die Möglichkeit all das ,was dir durch den Kopf wuselt aufzuschreiben oder es laut auszusprechen. Häufig entlastet alleine das geschriebene oder gesprochene Wort, um dass, was in deinem Inneren tobt nach draußen zu lassen. Gib es ab und lass es los.

 

Wenn deine Anspannung dennoch hoch ist, schnappe dir deine Schuhe und geh an der frischen Luft spazieren. Bewege dich und lass all die negativen Gedanken und Gefühle in einem anstrengenden Workout raus. Spüre in deinen Körper hinein. Was brauchst du gerade? Was tut dir gut? Nach welchem Tempo ist dir gerade? Schnell oder langsam? In einigen Momenten können auch Entspannungsmethoden hilfreich und entlastend sein, wie beispielsweise eine Runde Yoga, Dehnübungen oder eine Meditation.


Egal, welche dieser Ideen dir helfen. Spiele ein wenig Detektiv. Finde heraus, was du brauchst, und womit du dich wohl fühlst. Langfristig gesehen führt wohl kein Weg an der regelmäßigen Konfrontation vorbei, doch welche der weiteren Strategien tun dir wann gut? Werde dein eigener Experte und freunde dich mit deiner Angst an, denn sie wird dich dein Leben lang begleiten, denn sie ist eine der elementaren Gefühle, die wir alle in uns tragen. Die Frage ist doch nur, in welcher Intensität erleben wir sie?

Also entscheide dich bewusst, deiner starken Angst den Kampf anzusagen

und wähle deinen Weg:

Sei kein Angsthase

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